E.N. 
Kunsthalle Basel





E.N.
2008
MDF, bois, carton,
collage sur papier, 
Neon
Kunsthalle Basel
Photo: Serge Hasenboehler





E.N. Esprit Nouveau
2008
Collage sur papier
70 x 50 cm










Rooms Look Back
Insert III: Davide cascio
Kunsthalle basel
Kuratiert von Simone Neuenschwander.
Inserts gemeinsam kuratiert mit Annette Amberg.


Zurück in die Zukunft

Man ist versucht, bei Davide Cascios Arbeiten von einer Reise zurück in die Zukunft zu sprechen: Eine Reise, welche die fiktive Möglichkeit auslotet, die Gegenwart in der Vergangenheit als Zukunft neu zu reflektieren. Zwei simple Konstruktionen aus Holz verdecken jeweils die Ein- und Ausgänge des Saals 2 in der Kunsthalle Basel und öffnen sich wie eine Schleuse ins Innere des Raumes. An eine Kamerablende oder ein konstruktivistisches Bühnenbild erinnernd, stehen sich die ‚Apparate’ gegenüber und richten sich auf die beiden Buchstaben E und N, welche in der Mitte des Raumes überlebensgross an der Wand zu lesen sind. Diese scheinen, wie einst an der Fassade des Ausstellungspavillons von Le Corbusier für die Exposition Internationale des Arts Décoratifs in Paris (1925), die Ankündigung eines Aufbruchs zu sein. Der Esprit Nouveau (EN) war Ausdruck einer neuen, puristischen Ästhetik und Lebensweise, wie sie in den 1920er Jahren von der französischen Avantgarde um den Architekten propagiert wurde: Eine idealistische Einhergehung von Funktionalität und Form, die in der gleichnamigen Zeitschrift ihren Diskurs und im Pavillon ihre radikale Realisierung fand. Anstelle einer Behauptung tritt bei Cascio jedoch eine Befragung von utopischen Ideen als Gedankenkonstrukte und Bedingung für gesellschaftliche Veränderung in den Vordergrund. Über die Theorien utopischer und alternativer Gesellschaftsentwürfe und ihren Motiven spannt Cascio mittels verschiedener Referenzpunkte ein assoziatives Feld auf, das sich in seinem Werk zu einem weit verzweigten Diagramm verdichtet. In der Kunsthalle wurde das EN als ‚Logo’ zum zentralen Motiv seiner Reflektion über Ästhetik und Stil: In Form einer Tapete aus Fragmenten von Frauenmagazinen der 1960er Jahre – Anleitungen zur Lebensgestaltung der modernen Frau –  im ersten Saal, manifestiert sich das EN im zweiten Saal als Skulptur. Sie besteht aus einer modularen Holzstruktur, deren Diagonale im Buchstaben N mit acht Neonröhren geformt ist und als einzige Lichtquelle im Raum dient. Neben den Unités d’Habitation von Le Corbusier verweist Cascio auf die Werke des Minimalismus und auf die Konzeptkunst eines Dan Flavin oder Sol LeWitt und damit auch ganz konkret auf den Ausstellungskontext des White Cubes und seiner Geschichte. Im ersten Raum hingegen wird die klassizistische Bauweise betont, indem der Raum nur mit Tageslicht beleuchtet ist und alle drei Fenster den Blick nach Draussen, auf einen einfachen Vorplatz, frei geben. Cascios Arbeit ist Ausdruck des Antagonismus zwischen künstlerischer Freiheit und kunsthistorischer Vergangenheit, eine konstante Bewegung zwischen Gestern und Heute, hin zu einem möglichen „nouveau-esprit-nouveau“.
Annette Amberg


The Cabinet of Dr. Caligari, 1922


Le Corbusier
etude pou Marseille-sud 1943